Dienstag, 31. Mai 2011

Manal Al-Sharif ist frei. Erstmal.

Die gute Nachricht zuerst. Nach neun Tagen Gefängnis ist die Saudi-Araberin Manal Al-Sharif wieder auf freiem Fuße. Die Bedingungen ihrer Freilassung sind allerdings unklar. Im Internet kursiert ein Statement, angeblich von Al-Sharif selbst heraus gegeben, das ihre Freilassung kommentiert. Darin bedankt sie sich in erster Linie bei König Abdallah und den Imamen der Zwei Heiligen Stätten für die Entscheidung, sie aus der Haft zu entlassen, entschuldigt sich dafür. dass ihre Motive missverstanden worden seien (sie habe sich nie als etwas anderes verstanden als eine treue Bürgerin Saudi Arabiens und als gläubige Muslimin), und lässt im Unklaren, inwieweit sie sich nun weiter für das Recht der Frauen im Königreich, sich selbst hinter's Steuer zu setzen engagieren wird.
Natürlich besteht die Möglichkeit, dass dieses Statement eine Fälschung ist, oder aber Al-Sharif genötigt worden ist, es in seiner jetzigen Form zu unterschreiben. Weder ihr Anwalt noch sie selbst haben sich bisher dazu geäußert, wie die junge Mutter in der Haft behandelt wurde. Auch die anderen Beteiligten der Kampagne "Women 2 Drive" sind zur Zeit eher still. Vielleicht hat Al-Sharif das Dokument aber ja auch tatsächlich selbst verfasst und an die Öffentlichkeit gegeben. Vielleicht will sie, die allein erziehende Mutter eines kleinen Jungen, erstmal nur ihre Ruhe und sicher stellen, dass man ihr ihren Sohn und ihren Job lässt (vor einigen Tagen hieß es, man habe ihr gedroht, sie könne das Sorgerecht für ihr Kind und auch ihre Stelle als IT-Spezialistin verlieren, wenn sie von ihrer Kampagne nicht Abstand nimmt). Womöglich ist ihr sogar Geld gezahlt worden, um einen Fahrer zu beschäftigen und dann den Mund zu halten - wer weiß es schon genau ... wir hier bestimmt nicht. Aber möglich, soviel steht fest, wäre jede einzelne diese Varianten.
Es sieht für den Moment zumindest danach aus, als habe das Regime mit der Verhaftung von Al-Sharif erreicht, was es bezwecken wollte - man hat die eigenen Leute wieder ein Stückweit eingeschüchtert und dazu gebracht, das Aufmucken sein zu lassen - man packt sie bei der eigenen Ehre ("Du bist kein guter Moslem und kein guter Bürger, wenn du hier Zicken machst!"), das funktioniert fast immer.
Frauen dürfen noch immer nicht hinter's Steuer, und wenn man dem Kommentar des Innenministers glauben darf, wird sich das auch so bald nicht ändern, Manal hin oder her. Die Frage bleibt also - wie geht es weiter? Haben die Beteiligten um die Kampagne und auch Manal selbst nun den Mut, trotzdem wie angekündigt, am 17. Juni in ihre Autos zu steigen und loszufahren? Oder wird es nun erst einmal wieder still um dieses Volksbegehren?
Als positiv könnte man natürlich werten, dass man Manal Al-Sharif trotz der Ankündigung, man würde ihre Haft verlängern, schon nach weniger als der Hälfte der Zeit entlassen hat. Ob das aber nun dem Internationalen Druck zuzuschreiben ist, wie einige Menschenrechtsorganisationen zu wissen glauben, bezweifle ich allerdings. Aber wie gesagt - wir werden es nie genau erfahren!

Montag, 30. Mai 2011

Orientalism-ism

Wenn ich mir von einer guten Fee etwas wünschen dürfte, dann würde ich sagen: „Hey, Fee. Mach doch mal, dass der Orientalismus in der selbsternannten Ersten Welt im 21. Jahrhundert endlich verschwindet!“
Komischer Wunsch, ich weiß, man könnte sich ja auch neue Schuhe wünschen, oder eine Weltreise, oder den Nobelpreis. Aber mich ärgert der alltägliche Orientalismus um mich herum einfach über alle Maßen, und ich glaube wirklich, könnte die gute Fee den beseitigen, ginge es mir sehr viel besser.
Gestern beispielsweise habe ich mich mit einer Kollegin unterhalten. Die hat beruflich auch hin und wieder mit arabischer Literatur, Musik und Politik zu tun, und erzählte folgende Anekdote:
Sie zeigt einem Kollegen ein Video auf Youtube, wo eine junge ägyptische Dichterin ein Werk vorliest, und zwar auf einer Bühne, vor Publikum. Ich kenne das Video, und glaube zu wissen, was als Nächstes kommt.
„Lass mich raten“, sage ich, „der hat sich dran gestört, dass sie Kopftuch trägt, obwohl sie Anfang zwanzig ist und zur Bildungselite gehört!“
„Ne, viel schlimmer“, sagt die Kollegin. „Am Ende klatschen die Leute im Publikum ja. Und der Typ meinte ernsthaft: 'Ja, das ist ja jetzt schon sehr westlich, dass die applaudieren, ne?'“
Mir fällt vor entsetztem Erstaunen erstmal die Kinnlade runter. Klar, der Orientale hat sich die Kulturtechnik des Applauses erst bei uns abschauen müssen, einem Teil der Menschheit, der bekannt dafür ist, artig und gesittet, aber nicht zu lautstark und enthusiastisch auf künstlerische Darbietungen zu reagieren.
„Was denkt der denn?“, frage ich immer noch fassungslos. „Dass die Leute sonst mit Dingen werfen und die Bühne stürmen?“

Der wilde und zügellose Orientale. Das Bild kennt der Westen, das mag der Westen, das kann der Westen kontrollieren und interpretieren. Stereotypen wie „die sind ja so gastfreundlich“ oder „die treten ja immer und überall gleich mit der ganzen Sippe auf“, sie sind ja gar nicht böse gemeint (meistens), aber sie nerven einfach unheimlich.

Leute, kommt doch mal unter eurer Tausend-und-Eine-Nacht-Decke hervor und schaut euch um! Wann wenn nicht jetzt müsste jedem noch so verbohrten Orientalisten unter uns klar werden, dass die Menschen im Nahen Osten keinesfalls kameltreibende, frauenverprügelnde und säbelschwingende Jihadisten sind?
Und wenn hierzulande plötzlich überall Dossiers, Spezialsendungen und Sonderausgaben zum Thema erscheinen, ist TROTZDEM immer noch das obligatorische Kamel, die Palme, der Teppichhändler oder eine Wasserpfeife irgendwo zu sehen. Und Begriffe wie „Arabien“, „Arabische Welt“ und „Neue Arabische Welt“ helfen da ganz und gar nicht weiter! Seht doch mal ein, dass auch Länder wie Ägypten, Syrien, Tunesien und Libanon im 21. Jahrhundert angekommen sind. dass es keine Seltenheit ist, dass die jungen Leute dort hervorragend ausgebildet und weit gereist sind. Dass wir nicht immer und überall unsere Parameter und Filter und Stereotypen anlegen dürfen!

„Manchmal hab ich einfach die Nase voll von diesem unbezahlten Bildungsauftrag“, sagt meine Kollegin am Ende ziemlich desillusioniert. Kann ich verstehen, geht mir manchmal auch so. Aber wenn ich mal wieder im Spiegel das Wort „Arabien“ lese und den Quotenmoslem mit Bart und Tunika in einer Werbeanzeige in der Bahn sehe, dann juckt's mich ja doch.

Also – wer sich weiterbilden möchte, sollte mal zu Edward Saids Klassiker „Orientalismus“ greifen. Und ansonsten – einfach mal kurz nachdenken und dann lieber Klappe halten, ehe man mal wieder versehentlich Vorurteile drischt.

Sonntag, 29. Mai 2011

Arabische Graffiti-Ausstellung in Berlin

Wie das so ist in so großen Städten wie Berlin, ist man, zumal als Neuankömmling, erstmal erschlagen vom Überangebot. Das gilt für die 1 Million Cafés und Restaurants genauso wie für's Shopping und für's Kulturangebot. Meistens erfährt man zufällig, und oft auch zu spät von Dingen, die einen interessiert hätten (Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Filme ... ). Deshalb bin ich umso glücklicher, dass ich - natürlich rein zufällig - einen Tag vor Ende auf eine ganz tolle Ausstellung zu Arabischen Graffiti gestoßen bin.
Untergebracht im sogenannten Hip Hop Stützpunkt Berlin in Prenzlauer Berg findet sich, ganz versteckt aber höchst charmant, die Common Ground Gallery. Allein die Räume sind schon einen Besuch wert - es handelt sich nämlich um die Schaltzentrale eines alten Umspannwerkes, und man gelangt erst über eine Wendeltreppe in einem verschachtelten Turm in die Galerie. Toll! Mein Ruhrpott-Herz schlug schon sofort höher!
Nachdem wir die Ausstellung dann erstmal gefunden hatten, galt die Begeisterung aber nicht nur den Räumen! Eine spannende, sehr abwechslungsreiche Sammlung von arabischer Street Art vom Maghreb über Palästina bis Libanon konnte man bewundern, auch Werke, die die aktuellen revolutionären Bewegungen spiegeln. Und inmitten all der jungen Arbeiten waren dann auch noch Werke des grandiosen irakischen Kalligraphen Hassan Massoudy zu sehen. Also ich bin begeistert!



Die Ausstellung ist nun leider schon vorbei, aber angegliedert an die Galerie betreiben die Aussteller auch einen eigenen Verlag, wo sie wunderschön gestaltete Bände, hauptsächlich zu Kalligraphie und Street Art heraus geben, und das Buch zur Ausstellung ist definitiv eine Anschaffung, die sich lohnt! Durchgehend vierfarbig, großformatig, fest gebunden, unzählige Fotos und Bilder und spannende Texte zur Geschichte Arabischer Kalligraphie bis zur Entwicklung klassischer Kalligraphie zu Street Art - allerdings ist das gesamte Buch leider nur auf Englisch erhältlich! Aber die Bilder lohnen trotzdem!!

Als nächstes sei in naher Zukunft dann eine reine Kalligraphie-Ausstellung geplant, haben wir dann noch erfahren, und uns mal sofort in den Verteiler aufnehmen lassen! Diesmal wissen wir ja, wo es lang geht! Sollte also jemand von euch mal in Berlin sein - geht mal im alten Umspannwerk vorbei!

Samstag, 28. Mai 2011

Post!


Da bekommt die DIVA heute Post von den befreundeten Kreativgenies von Der Frühe Vogel mit wunderhübschen DIVA-Buttons! Danke nach Oberhausen!!!

Mittwoch, 25. Mai 2011

"The rain starts with a drop"

Wie wahr! Oder auch steter Tropfen höhlt den Stein, wie es bei uns heißt!

Update Manal AlSharif

Inzwischen haben auch die deutschen Medien das Thema aufgenommen und berichten von der jungen Frau, die in Saudi Arabien in Haft sitzt, weil sie Auto fuhr; die Tagesschau, die Zeit und der österreichische Standard brachten heute Beiträge dazu. Auch Amnesty International hat den Fall verurteilt.
Über den Verbleib vom AlSharif ist bislang nichts bekannt, vermutlich sitzt sie noch in Haft. Ihr Anwalt, Adnan Saleh hat sich bisher nicht öffentlich geäußert.
Doch die Welle hat sich in Bewegung gesetzt, keine Frage! Es bleibt zu hoffen, dass all die öffentliche Aufmerksamkeit Manal nutzt, und nicht am Ende noch schadet!

Dienstag, 24. Mai 2011

Freiheit für Manal AlSharif!

Vor ungefähr einer Woche habe ich diesen Beitrag hier bei Jadaliyya, dem großartigen Onlinemagazine zum Thema Nahost, gefunden; ein Aufruf an die Frauen in Saudi Arabien, sich gegen das Fahrverbot für Frauen im Königreich zu wehren, und sich am 17. Juni hinter's Steuer zu setzen. Der Aufruf stammte von einer Kampagne um Manal Alsharif, eine junge Saudi, die den Stein ins Rollen gebracht, den Aufruf bei Youtube gestartet und die entsprechende Facebook-Gruppe gegründet hatte.
Der Aufruf betont, dass es im saudischen Gesetz und im Koran keinerlei Basis für ein Fahrverbot für Frauen gibt, und dass es im Lande viele Frauen gibt, die sich einen kostspieligen Fahrer oder Taxifahrten nicht leisten können. Wegen der gesetzlich festgelegten Geschlechtertrennung sind Frauen auch von der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ausgeschlossen.

„Toll“, dachte ich, „mal sehen, ob das klappt“; ihr werdet euch erinnern, dass ich vor einiger Zeit hier schon mal was über die Frauen und ihre Einstellung zum Autofahren geschrieben habe.

Dann, vor ein paar Tagen musste man auf Al Jazeera lesen, dass Manal Alsharif am Samstag verhaftet wurde. Der Grund: Die Kampagne.
Laut Al Jazeera wurde sie zwar kurz darauf wieder frei gelassen, doch über eine Facebook-Page ist zu erfahren, dass sich die junge Frau nach wie vor in Polizeigewahrsam befindet.
Die Hamburger Journalistin Sara Mously sprach noch kurz vor Manals Verhaftung mit der jungen Frau, doch seither fehle von ihr jede Spur.

Wer sich für Manal einsetzen möchte, kann hier eine Online-Petition unterschreiben und/ oder sich bei der entsprechenden Facebook-Page informieren. Um auf das Schicksal von Manal aufmerksam zu machen, kann dieser Beitrag und auch die entsprechenden Seiten von Facebook und Al Jazeera großflächig geteilt werden.

Saudi Arabien ist das einzige Land weltweit, in dem es Frauen (de facto über 50 % der Bevölkerung) nicht erlaubt ist, Auto zu fahren. Sich aus dem Land heraus selbst zu engagieren, ist mehr als gefährlich, wie die Geschichte von Manal zeigt. Die einzige Möglichkeit für mich hier hinter meinem Rechner ist, diese Geschichte hier zu erzählen und zu hoffen, dass ein Sturm der Entrüstung in allen Ecken der Welt dafür sorgt, dass Manal bald frei ist.  

Live aus Berlin - Diva beim Poesiefestival

Liebe Diven und Diverche,

da war es still um die West-Östliche Diva in den letzten vier Wochen! Dabei war doch so viel los im Nahen Osten! Das tut mir sehr leid! Aber nicht nur im Nahen Osten, sondern auch an der Heimatfront hat sich viel getan, die Diva ist nämlich umgezogen; vom wunderschönen Norden, von Hamburg, meiner Perle hat es mich nach Berlin verschlagen! Auch schön!
Hier habe ich mich nun eingerichtet und freu mich auf die Dinge, die da kommen.
Daher auch die Zeit des Schweigens, die im Leben offline mit Kistenschleppen und Regale schrauben verbracht worden war!

ABER!
Nun geht es endlich weiter!
Und kaum bin ich in Berlin, habe ich auch schon wundervolle neue Aufgaben! Die Diva hat nämlich drei ganz tolle und ganz verschiedene Dichter und Sänger übersetzt, die im Juni beim Poesiefestival in Berlin auftreten werden! Da könnt ihr dann alle hinkommen und El General, Hend Hammam und Deeb live erleben – und meine Übersetzungen gleich mit!

Diese drei sind allesamt junge Menschen aus den revolutionsgeschüttelten Ecken der Erde (Tunesien und Ägypten); El General hat mit seinem Stück Ra'is LeBled der tunesischen Jugend eine Stimme gegeben und war gar kurze Zeit verhaftet worden. Nun kommt er nach Berlin, trägt seine Raps vor und wird bestimmt auch von der Thawra (Revolution) in seiner Heimat erzählen.

Deeb ist ebenfalls Sänger und Dichter, allerdings aus Kairo, wie auch Hend Hammad, und die beiden haben tolle Texte zum Thema zu bieten! Deeb bringt außerdem noch coole Beats mit, und ich bin sicher, es wird ein spannendes Festival!

Das komplette Programm des Poesiefestivals findet ihr hier, El General, Deeb und Hend Hammam gibt es am 18. Juni in der Akademie der Künste zu sehen, auf dem Diskussionspodium, und anschließend auch auf der Bühne. Kommt alle vorbei, wird bestimmt spannend!!